Der Heuberg zählt zum Stammland der Kelten, des ersten namentlich bekannten Volkes im deutschen Südwesten. Mehrere Funde weisen auf ihre Anwesenheit auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Kolbingen hin. Im Gewann "Eckenrain" wurde ein Bronzearmring gefunden. In den Gewannen "Einschlag" und "Wasenhalde" stößt man auf ein großes, bisher undatiertes Grabhügelfeld mit über 300 Grabhügeln. In einem etwa 3 m hohen Grabhügel im Gewann "Bürgle" wurden im 19. Jahrhundert ein menschliches Skelett und Eisenwaffen gefunden. Dieser Fund weist auf den Begräbnisplatz eines keltischen Herrn hin. Auch die Reste der Wallanlage im Gewann "Burghalde" dürfen den Kelten zugerechnet werden.
Ein alter, wahrscheinlich frühgeschichtlicher Weg, der sogenannte "Mühlheimer Weg", berührte die Kolbinger Markung. Er überquerte bei der Mühlheimer Altstadt die Donau, kam die "Lange Steige" herauf und führte westlich am Dorf vorbei weiter Richtung Wehingen. Mit Sicherheit wurde er schon von den Römern benutzt. Er verband den Bodenseeraum mit dem Albvorland um Rottweil. Nachdem die Römer in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts endgültig den deutschen Südwesten aufgeben mußten, konnte das Land von den Alamannen nunmehr friedlich besiedelt werden. Der Name unseres Dorfes deutet darauf hin, daß ein alamannischer Herr namens "Colbo" sich mit seinen Leuten hier niederließ und eine Siedlung gründete. Kolbingen bedeutet soviel, wie "bei den Leuten, die in der von Colbo gegründeten Siedlung wohnen". Der zur Siedlung gehörende Reihengräberfriedhof wurde schon im letzten Jahrhundert bei Bauarbeiten im Ortsteil Langenhardt angeschnitten. Kolbingen gehörte in fränkischer Zeit zum Scherra Gau. Die Rechtsnachfolger der Scherra-Grafen waren die Grafen von Hohenberg, die ersten namentlich bekannten Besitzer unseres Dorfes. 1372 trug Graf Rudolf III. von Hohenberg u. a. sein eigenes Dorf Kolbingen der Krone Böhmens zum Lehen an. Wegen finanziellen Schwierigkeiten versetzte er wenig später den Ort an die Herren von Ebingen und 1381 verkaufte er die ganze Grafschaft Hohenberg an Leopold von Österreich. Da auch die Österreicher in Geldnot steckten, übergab Leopold vor 1386 Kolbingen und Renquishausen mit der Feste Werenwag dem "Hainrich von Heringen". Dieser bildete aus den Dörfern Schwenningen, Heinstetten, Hartheim, Ehestetten, Unterdigisheim, Kolbingen und Renquishausen die Herrschaft Werenwag. Kolbingen teilte von nun an die Geschicke dieser Herrschaft. Von 1467 bis 1629 waren die Herren von Laubenberg die Besitzer, von 1629 bis 1702 die Fürsten von Fürstenberg und von 1702 bis 1805 die Freiherren von Ulm. 1805 kam Kolbingen an das Königreich Württemberg. Die jeweilige Herrschaft verfügte in Kolbingen weitgehend ungeteilt über alle Rechte. Die erklärt auch die verhältnismäßig späte urkundliche Erwähnung des Dorfes, nämlich 1253. In diesem Jahr übernahmen die Grafen von Zollern die Vogtei über das Kloster Beuron, das damals u. a. in Kolbingen "Menschen und Güter" hatte. Das Kloster besaß in Kolbingen bis zu seiner Aufhebung 1802 einen Hof, den sogenannten Beuroner Hof. Vermutlich hatte ein niederadeliges Geschlecht in dem "Steinhaus'' in der Dorfmitte seinen Sitz und nannte sich nach dem Ort. 1252/54 wird in Mühlheim ein "Hermann von Kolbingen" erwähnt. Noch im 16. Jahrhundert führte im Ort eine Familie den Namen "Kolbinger". Im Bauernkrieg 1524/25 beteiligten sich auch die Kolbinger Einwohner am Aufstand gegen ihre Herrschaft, die Laubenberger. Nachdem der Aufstand niedergeschlagen worden war, mußten sie wegen ihrer Teilnahme schwer büßen. Ein Teil der Kolbinger Bürger gehörte ursprünglich zur Pfarrkirche St. Martin in Fridingen. Im Ort selbst stand eine Kapelle, in der nachweislich seit dem 14. Jahrhundert ein Kaplan den Gottesdienst versah. Acht Hofstätten und ihre Familien gehörten zur Pfarrkirche St. Gallus in Mühlheim. Auch nachdem Kolbingen im 16. Jahrhundert zur Pfarrei erhoben worden war, blieben diese Familien bei Mühlheim, wurden aber von dem Kolbinger Pfarrer seelsorgerlich betreut.
Die kleine, dem hl. Nikolaus geweihte Kapelle wurde vermutlich schon im 12. Jahrhundert errichtet. Der hl. Nikolaus blieb alleiniger Patron bis ins 17. Jahrhundert. 1656 sind Unsere Liebe Frau und die hl. Sixtus und Nikolaus die Patrone der Pfarrkirche. Die neue 1972-1974 erbaute Kirche trägt den Titel: Unser Erlöser Jesus Christus. Neben der Landwirtschaft bildete der Wald die wirtschaftliche Grundlage der Gemeinde. Schon 1491 erwarb die Gemeinde von der Stadt Fridingen einen eigenen Wald, den "Eckenrain". Die Nutzung der übrigen Waldungen führte immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Herrschaft, besonders als im 17. und 18. Jahrhundert der Holzbedarf der umliegenden Eisenwerke zunahm und der Holzverkauf beträchtliche Gewinne abwarf. Der Holzreichtum bewog vermutlich die Herren von Laubenberg gegen Ende des 16. Jahrhunderts im Wald "Schrott" eine Glashütte zu errichten, die aber keine Bedeutung erlangte und den Betrieb bald wieder einstellen mußte. Ein weiterer gewerblicher Betrieb war die herrschaftliche Ziegelhütte, deren Anfänge in das Mittelalter zurückreichen dürften. Bis 1908 oder 1909 wurden hier Ziegelwaren hergestellt und in der Umgebung vertrieben. Spätestens im 18. Jahrhundert wurde im Hakenwäldle eine Steinhütte errichtet und dort werden bis heute die geschätzten Kolbinger Platten gebrochen und bearbeitet.
Die Industrialisierung in Kolbingen begann im Jahre 1899. Auf Anregung des Mundharmonikamachers Johann Baptist Grathwohl sandte der Gemeinderat eine Delegation nach Trossingen zu dem Fabrikanten Koch mit dem Ansinnen, er möge in Kolbingen eine Filiale seiner Harmonikafabrik eröffnen. Weitere Betriebe folgten, so daß heute Industrie und Handwerk genügend Arbeitsplätze anbieten können. Über all die Jahrhunderte hinweg hat sich eines nicht geändert, die schöne landschaftliche Lage des Ortes am Rande des Heuberges,von wo man an klaren Tagen das Alpenpanorama bewundern kann.
Eine besondere Naturschönheit bietet sich dem Wanderer beim Besuch der Kolbinger Tropfsteinhöhle. Auch der hoch über dem Lippachtal gelegene Burgstall "Walterstein" lädt zu einer Wanderung ein. Nach ihm nannte sich ein im 13. Jahrhundert nachweisbares Geschlecht. Als das Geschlecht ausstarb, fiel die Burg und ein Teil ihres Zubehörs an die Gemeinde.
In den letzten Jahren erfuhr die Dorfmitte, die ehemalige Hülbe, "Flatz" genannt, eine Umgestaltung. So laden das Dorf und die Landschaft mit ihren Naturschönheiten den von Streß und Hektik geplagten Menschen zu kleinen Spaziergängen und größeren Wanderungen ein, wobei er Ruhe und Entspannung finden kann.
Verfasser: Dr. Elmar Blessing